This is a very nice interview by Annete Freitag for the Journal 21, about my performance of Howard Arman’s work “Cantos de Sirena” with Carlus Padrisa and La Fura dels Baus in Lucerne Switserland.
The title says Kamikaze in Luzern. For sure one of the craziest and most amazing experiences on stage for me!
Ausserhalb der eigenen Theatermauern sorgt das Luzerner Theater derzeit mächtig für Theater. Und mittendrin fliegt, schwebt, rotiert und singt eine junge Brasilianerin: Carla Maffioletti
Ort des Geschehens ist das Verkehrshaus Luzern. Hier hat das Theater Luzern genug Platz für diese aussergewöhnliche Produktion. „Cantos de Sirena“ heisst das Stück und die Sirenengesänge, die damit gemeint sind, können das Publikum ganz schön verführen. Zumal, wenn sie von einer Sängerin wie Carla Maffioletti vorgetragen werden.
Aber was heisst da “vorgetragen“? Carla Maffioletti ist mit Leib und Seele dabei und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Sie steckt in Apparaturen, die an Rüstungen erinnern, sie taucht unter Wasser und fliegt durch die Luft. Und dazu singt sie die kompliziertesten Koloraturen. Komponiert wurden diese Sirenengesänge von Antonio Vivaldi, Claudio Monteverdi, Georg Friedrich Händel und einigen anderen. Barockmusik also, bearbeitet von Howard Arman, dem musikalischen Leiter des Theaters Luzern, der in dieser Produktion auch am Pult steht und dirigiert. Das Ganze dreht sich um die „Faust“-Legende.
Riesenspektakel
Hinter dieser höchst ungewöhnlichen Aufführung steht das Produktionsteam der legendären katalanischen Theatertruppe „La Fura dels Baus“ aus Barcelona, die nun mit dem Luzerner Ensemble nach bewährter Manier ein Riesenspektakel veranstaltet.
Hier, im stillen und menschenleeren Theater-Foyer, wo wir uns an diesem nasskalten Nachmittag treffen, wirkt Carla Maffioletti zart und fast zerbrechlich, gleichzeitig aber quirlig und gut gelaunt. Draussen beginnt es zu schneien, sie selbst versprüht herzerwärmende, brasilianische Atmosphäre. Sie blickt in die Schneeflocken, die umher wirbeln und wie ein dünner Vorhang die Sicht auf Kappelbrücke, Reuss und Altstadt etwas verschleiern. „Ich fühle mich hier total wohl. Es ist mein erstes Jahr, aber es kommt mir vor, als wäre ich schon zehn Jahre hier.“ Sogar in den Schnee der umliegenden Berge hat sie sich schon gewagt. „Ich, als Brasilianerin, auf Ski…! Und gestern war ich auf Schneeschuhen unterwegs, das ist unglaublich schön“.
Im Zentrum steht aber dennoch „Cantos de Sirena“. „Es ist eine grosse Herausforderung“, sagt sie dann. „Es macht mir aber auch wahnsinnig Spass. Ich bin ständig in Bewegung, muss mich drehen, liegen, fliegen oder sogar unter Wasser singen. Das ist schon eine sehr spezielle Anforderung. Aber genau das gefällt mir.“ Sie ist Teil dieser Konstruktionen, die aus Menschen mechanische Figuren machen, umgeben von Klangmaschinen. Und sie steuert die Technik selbst, mit der sie sich im Bühnenraum bewegt. Das erinnert fast schon an Science Fiction. „Es ist wirklich recht schwierig und ich musste das gut üben. Vor allem das Atmen beim Singen, wenn man sich kopfüber bewegt. Ich komme mir da vor wie ein Kamikaze…! Am Anfang hatte ich schon etwas Angst…“
Ein bisschen verrückt
Und als ihr diese Rolle angetragen wurde, hatte sie denn da gar keine Bedenken? „Nein! Ich sagte mir sofort: ’das mach‘ ich!‘ So bin ich. Man geht in dieser Aufführung körperlich wirklich an seine Grenzen und da muss man diese Rolle wirklich spielen wollen. Wenn man Angst hat, geht es überhaupt nicht. Es war meine eigene Entscheidung und ein bisschen verrückt muss man da schon sein… aber es war eine Chance!“
Fast unglaublich scheint es dabei, dass ihre komplizierten Koloraturen da auch noch Platz haben. „Ich habe festgestellt, dass diese Koloraturen umso besser funktionieren, wenn ich gerade in einer Drehung bin. Ich hatte erwartet, dass ich bei den schwierigsten Koloraturen stehen bleiben muss, also nicht artistisch umher turne. Dann habe ich gemerkt, dass es genau umgekehrt ist“. Das Steuersystem, das sie bedienen muss, hat sie auf dem Rücken geschnallt. „Wenn ich einen Gürtel tragen müsste, könnte ich nicht mehr atmen. Aber die Rolle ist wie ein total schönes Fitnessstudio!“
Carla Maffioletti im Theater Luzern:
„Cantos de Sirena“, bis 22. Februar
„La Bohème“, ab 27. Februar
„Ariadne auf Naxos“, ab 19. April
Dass sich die Anstrengung gelohnt hat, beweisen die Kritiken. Sogar die NZZ hat sich von Carla Maffioletti begeistern lassen. „Ob kopfüber, rotierend oder bis zum Hals im Wasser: Da wird gesungen, präzise, sonor und farbenreich, und Carla Maffioletti sorgt in Offenbachs «Les Oiseaux dans la charmille» mit souverän-schalkhaften Koloraturen für einen Höhepunkt der Aufführung“.
Carla Maffioletti kommt aus Brasilien, da hat sie die Musik sozusagen schon genetisch im Blut. Der Name allerdings ist italienisch und ein Erbstück des Grossvaters, der aus Bergamo nach Brasilien emigriert war. Schon als junges Mädchen studierte Carla klassische Gitarre. „An der Musikschule war es Pflicht, auch Gesang zu lernen und da ist es jemandem aufgefallen, dass ich eine gute Stimme hatte.“ Schon nach einem halben Jahr durfte sie in einer Opernrolle auftreten. „Ich war der ‚erste Knabe‘ in der ‚Zauberflöte‘! Und da hat es mich gepackt…“ Sie strahlt heute noch, wenn sie daran zurückdenkt: in einem Kostüm auf der grossen Bühne stehen, das Orchester spielt, das Publikum im Saal, Scheinwerferlicht…. „Ich hatte Gänsehaut und wusste: das ist es!“
Um die Welt mit André Rieu
Ihre Gesangslehrerin in Rio war eine Niederländerin, über die sie dann nach Maastricht zum Studium kam. Und Maastricht, das ist auch die Heimat von einem ganz anderen Musiker: André Rieu, der seit Jahren die Massen mit seiner Geige begeistert. So wurde Carla Maffioletti Solistin bei André Rieu, mit dem sie insgesamt zehn Jahre auf Tournee war. „Ich habe die ganze Welt gesehen“, schwärmt sie. „Wir haben 120 Konzerte im Jahr gegeben, und das Orchester, die Sänger und André Rieu, wir waren wie eine grosse Familie.“
Aber diese Art von populärer Klassik ist doch sicher einfacher zu singen, als ganze Opern? „Nein, einfacher nicht, aber anders. Wenn man eine einzelne Arie hat, muss man während dieser vier Minuten alles geben. Von der ersten Sekunde an muss man voll da sein. Egal ob man nach einem jetlag müde ist oder Kopfschmerzen hat. Und durch das Mikrofon hört das Publikum alles, jedes Räuspern, jeden Atemzug. Es hilft aber, wenn man etwas Routine hat. Nach sechzig Konzerten ist man nicht mehr so aufgeregt.“
Was gefällt ihr denn nun besser: die gigantischen Rieu-Show rings um die Welt oder doch lieber die kleine Bühne, wie in Luzern? „Ach, ich habe viele Gesichter… ich liebe beides. Ich hatte das Glück, solche Riesentourneen zu machen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man auf der Bühne steht und unten Tausende von Menschen sieht, so viele Kulturen und wie sie reagieren, das ist unfassbar… Und wenn man in einem schönen Theater auftritt und eine Rolle auch schauspielerisch entwickeln kann, ganz ohne Mikrofon, das ist halt auch wunderbar.“ Kombinieren kann sie die Oper allerdings nicht mit Rieu. Entweder, oder. Und die derzeitige Tournee macht André Rieu ohne Carla. Traurig ist sie deswegen nicht. „Ich möchte beim Theater bleiben, Opern singen, oder was immer das Leben mir bringt.“
Als nächstes bringt das Leben ihr „La Bohème“ und „Ariadne auf Naxos“. Carla Maffioletti freut sich sehr darauf. „Ich bin offen, arbeite hart und habe Freude an der Arbeit.“ Nach unserem Gespräch zieht sie sich gleich zum Üben in einen Proberaum im Theater zurück.